Mag.
Johann Sengstschmid, Prof. i. R. Buchmayrstraße 1/11 A-3100 St. Pölten | Tel.:
+43 (0) 2742 / 38 14 13 E-Mail: johann.sengstschmid@musiker.at |
... damit dieses eine wohlklingende Harmonie gebe zur Ehre Gottes und zulässiger Ergötzung des Gemüts und soll wie aller Musik ... Finis und Endursache anders nicht, als nur zu Gottes Ehre und Recreation des Gemüths sein. Wo dieses nicht in acht genommen wird, da ist's keine eigentliche Musik sondern ein teuflisches Geplärr und Geleyer. (J. S. Bach) |
Wir fordern, daß die Schönheit in ihre uralten Rechte wiedereingesetzt wird. (Jörg Mauthe/ Günther Nenning, aus dem "Schönheitsmanifest", 1984) |
Gedanken zu einer bürgerlichen Kulturpolitik | |
Eine politische Partei, welche der Kunst zu wenig Aufmerksamkeit schenkt, handelt kurzsichtig und gerät unversehens in den Abwärtstrend. Natürlich dürfte Kunst kein "parteipolitisches Mascherl" im Sinne einer "schwarzen", "roten", "blauen", "grünen" oder "andersfarbigen" Kunst besitzen, wäre also nicht von der festen Hand einer Partei zu gängeln. Doch finden diese oder jene kulturellen und künstlerischen Gesichtspunkte mit differenzierter Akzentuierung in Parteiprogramme Eingang und erfahren entsprechende Pflege und Förderung. Welche konkreten Gesichtspunkte von politischen Parteien und von den Medien, welche ja auch politisch beeinflußt sind, besonders bevorzugt werden oder unbeachtet bleiben, das hängt einerseits vom Wissensstand und andererseits davon ab, in welchem Menschenbild jene rückverbunden erscheinen. Kulturelle Trennungslinien verlaufen nicht entlang der Parteigrenzen, sondern orientieren sich parteiunabhängig nach dem Menschenbild, doch hindert das die Parteien nicht, ihre kulturelle Schau samt der darin rückverbundenen künstlerischen Grundhaltung schwerpunktmäßig zu formulieren. Was den Wissensstand betrifft, so hege ich so meine Zweifel, ob zum Beispiel mein künstlerisches Wirken und Wollen gekannt wird. Doch nur was den Verantwortlichen geläufig ist, besitzt die Chance, in Überlegungen einzufließen. Deshalb will ich nachstehend vor allem informieren und meine Ansichten und Visionen darlegen. Ich bin Komponist, wirkte vor meiner Pensionierung an der Musikhochschule Graz und lebe seit 1950, von einigen berufsbedingten Unterbrechungen abgesehen, in St. Pölten, Niederösterreich. Als Künstler erscheint es mir angebracht, nirgendwo Mitglied einer politischen Partei zu sein und gleichzeitig ein für alle offener Ansprechpartner zu sein. Bezüglich meiner Weltanschauung huldige ich als praktizierender und betont für Neues aufgeschlossener Katholik, welcher weder einer traditionalistischen noch einer progressistischen kirchlichen Gruppierung angehört, dem biblisch+platonischen Menschenbild, trete dafür ein und stehe linken Ideen - einerlei, ob sie von Marxisten, Sozialdemokraten, linken Flügeln "schwarzer", "grüner" oder "andersfarbiger" Parteien oder Gruppierungen, von Linkskatholiken, von linkslastigen Vereinen, Medien etc. vertreten werden - reserviert gegenüber. Wer sich ein Bild über mich machen will, besuche meine Homepage und verschaffe sich, was mir noch wesentlicher erscheint, einen ersten Höreindruck . (Hinweis: Um etwas abhören zu können, ist es notwendig, vorher im Internet www.winamp.com oder www.real.com herunterzuladen sowie zu installieren. Dann ist auf der Internetseite das Lautsprechersymbol anzuklicken.) Aus diesen Unterlagen ist eine gewisse konservative Grundhaltung herauszulesen. Schon der französische Denker Joseph Joubert wußte zu formulieren: "Wer für die Zukunft sorgen will, muß die Vergangenheit mit Ehrfurcht und die Gegenwart mit Mißtrauen aufnehmen", und auch Hans Sedlmayr sah im wahren konservativen Prinzip die dauernde Erneuerung des Alten, also genau dessen, was am Früheren erhaltenswert und erneuerungsfähig, was nicht der Vergänglichkeit ausgeliefert, sondern beständig, weil zeitfrei ist; dieses Prinzip hat wohl Gültigkeit für alles geistige Leben. Versuche, die Vergangenheit in ihrem Brauchtum, mit ihren alten Zeichen und Bildern sowie mit ihrer Kunst wiedererwecken zu wollen, sind zwar lobenswert, aber kulturpolitisch ebensowenig vorrangig wie alles gewiß auch notwendige Museale oder wie die Mode, antiquierte Musik wiederbeleben zu wollen. "Alte Musik" entspricht zwar scheinbar ob ihrer Spontaneität und Ursprünglichkeit einem Bedürfnis des heutigen - auch des jungen - Menschen mit seiner Sehnsucht nach Ruhe und Harmonie, nach etwas in sich Geschlossenem, Sicherem und Souveränem, nach Zugänglichkeit. Weil ein Verlangen nach einer Musik existiert, die etwas zum Anhalten besitzt, etwas, das in sich ruht, als richtig und schön empfunden wird, und weil die Musik im 20. Jahrhundert scheinbar so etwas nicht bietet, greifen Musikanbieter auf die "Alte Musik" zurück, doch genau das ist eine Ersatzhandlung, ein intuitives Suchen und Finden einer Ersatzbefriedigung. Dabei gäbe es auch im 20. Jahrhundert eine Musik, welche in zwölftöniger Sprache die obigen Bedürfnisse zu befriedigen vermag, nur müßte man sie einmal in all ihren Qualitäten entdecken. Zwölftönigkeit - in rechter Weise eingesetzt - muß dem vertrauten Schönheitsideal nicht zuwiderlaufen. Wer sich um 7.000 Währungseinheiten etwas Schönes kaufen kann, der bleibt in der Lage, auch um 12.000 noch etwas Schönes zu erhalten; warum soll das in der Musik anders sein? Nach welcher Logik vermag nur Siebentönigkeit eine harmonische Musik zu ermöglichen, während das um fünf Töne reichere Tonmaterial zum Gegenteil führt? Es kommt eben auf die rechte Handhabung an. Hier bestünde ein praktischer kulturpolitischer Handlungsbedarf, geboren aus richtig verstandener konservativer Gesinnung. Es sollte also nicht so sehr um die schwerpunktmäßige Aufrechterhaltung oder Wiederbelebung des Historischen gehen, sondern vordringlich um die Suche nach dem dem Zeitlosen nicht prinzipiell widersprechenden Neuen sowie um dessen Einsatz dafür, denn das ist zur Veränderung aller Lebensbereiche im positiven Sinne unerläßlich. Es ist allerorts deutlich zu verspüren, wie sich in den letzten Jahrzehnten zwischen den politischen, religiösen, kulturellen u.a. Lagern schleichend vieles polarisiert hatte, wo zahlreiche Brücken des Einverständnisses und der Toleranz einstürzten, wo zwischen den Lagern Lieblosigkeiten, Gehässigkeiten und Ausgrenzungen wie ein Geschwür aufbrachen und wo dem Trennenden gegenüber dem Verbindenden der Vorrang eingeräumt wurde. Wenn im privaten Kreis auf derartige deprimierende Gegebenheiten und auf das zugrundeliegende Menschenbild die Sprache kommt, dauert es nicht lange, bis als fatalistische Beschönigung der "ZEITGEIST" beschworen wird, mit dem man sich eben abfinden müsse; doch als Künstler will ich das nicht tatenlos gelten lassen. Leider pflegt man in der bürgerlichen Politik - im Unterschied zu den linkslastigen Gruppierungen - die Kräfte der Kultur im allgemeinen und die der Kunst im besonderen in ihrer Wirkungsweise fahrlässig zu unterschätzen, doch gerade die Beschaffenheit der künstlerischen Substanz ist es, die zur Prägung des Zeitgeistes mit beiträgt, und dieser Zeitgeist gebiert wieder eine Lebenshaltung, aus der eine von viel Irrationalität getragene kulturelle Gleichgültigkeit resultiert, die schließlich im von materialistischen Zielen beeinflußten Wahlverhalten ihren Niederschlag findet. Der Keim zu alledem wird im Menschen in seiner ersten Lebenszeit gelegt (siehe meine Gedanken über eine bürgerlich-konservative Vorprogrammierung im Säuglingsalter). Da die heutige Kultur einerseits von
oberflächlichen hedonistischen Zielen (Fun-Gesellschaft) und andererseits
von der alt gewordenen 68er-Generation, welche ihr Denken aus der kritisch-marxistischen
Frankfurter Philosophenschule herleitet, bestimmt wird, entsteht ein dementsprechend
inhumanes, abstoßendes Lebensumfeld, in dem sich der MENSCH
nicht mehr als EBENBILD GOTTES mit allen Konsequenzen
sieht und in dem die platonischen WERTE DES WAHREN, GUTEN
UND SCHÖNEN als nicht mehr
zeitgemäß gelten - jene Werte also, für welche sich im 20. Jahrhundert
nicht nur die pastorale Konstitution des II. Vatikanischen Konzils "Gaudium
et spes" (1965) in seinem "2. Kapitel: Die richtige Förderung
des kulturellen Fortschritts" (Art. 57: "Glaube und Kultur") ausspricht,
sondern auch Papst Johannes Paul II. in seinem Brief
an die Künstler (4. April, Ostersonntag 1999), in dem er auf
die Berufung des Künstlers im Dienst an der Schönheit,
auf die Beziehung zwischen gut und schön u.v.a.m. eingeht. |
- | Spezielle Richtungen der Musik waren es, aus denen atmosphärisch der süßliche Kitsch-Katholizismus der vorkonziliaren Zeit genährt wurde, sodaß man pointiert sagen kann, sentimentaler Kirchenkitsch ist religiöses Lebensgefühl jener Epoche. | |
- | Spezielle Richtungen der Musik waren es, aus denen atmosphärisch die Jugendbewegungen der "vor-68er-Generation" ("Wandervogel" u.a.) ihre Kraft schöpften; Wander- und Lagerfeuerlieder entsprachen ihrem Lebensgefühl. | |
- | Andere spezielle Richtungen der Musik waren es, aus denen atmosphärisch die Bewegung des Nationalsozialismus vorbereitet und getragen wurde; Marschmusik wurde zum Lebensgefühl des Dritten Reiches. | |
- | Wieder andere spezielle Richtungen der Musik waren und sind es, welche atmosphärisch die Erotisierung unserer Zeit bewirkten und bewirken; Schlager, Jazz, Rock, Pop u.a. sind primär weniger Musik denn Lebensgefühl. |
- | Nochmals andere spezielle Richtungen der Musik waren und sind es, welche atmosphärisch den Progressismus in der Kirche tragen; so sind die gehetzt-fetzig heruntergedroschenen traditionellen Kirchenlieder, die solcherart ihres sakralen Charakters beraubt werden, und vor allem aber die rhythmischen Kirchengesänge (samt dem orgelverdrängenden Gitarrespieler) weniger eine auf Andacht hinzielende Musik denn Lebensgefühl des "fortschrittsgläubigen Elements", das blind-fanatisch verfochten wird. |
- | Und die Klangreihenmusik könnte dazu verhelfen, atmosphärisch ein ebenfalls neues Lebensgefühl, eine Neukultivierung und Neuevangelisierung vorzubereiten und auszulösen. |
Unwillkürlich kommt einem jene Stelle aus Platons "Staat" in den Sinn, in welcher der Philosoph von der "Musik" spricht, wobei diese Bezeichnung im griechischen Altertum zunächst im weiteren Sinn die Gesamtheit der musischen Künste und erst im engeren Sinn die Tonkunst ausdrückt: Im Gemeinwesen ist das Äußere des Menschen - seine Haar- und Barttracht, seine Gewandung, seine Beschuhung, die Mode - ebenso von Bedeutung wie die Art der "Musik". Eine neue Art von "Musik" einzuführen würde das Gesamte unter Druck setzen; man rüttelt nicht an den Weisen der "Musik", ohne daß die wichtigsten Grundlagen des Staates mit erschüttert würden. Daraus läßt sich aber umgekehrt folgern: Strebt man einen Wandel des Zeitgeistes an, dann verändere man die "Musik", also die musischen Künste. Heute, an der Schnittstelle zwischen alten und neuen Anschauungen, wo wir vieles erlöschen sehen und neue Aufbrüche ausmachen können, heute gilt es, zwischen Traditionalistischem und Progressivem eine zukunftsorientierte ausbalancierte Haltung einzunehmen, die den wertvollen Aspekten beider antipodischen Denkweisen gerecht wird. Das Traditionelle beinhaltet einerseits zeitlos gültige Werte, andererseits unterliegt vieles dem Zeitgeschmack und erweist sich als überkommen. Umgekehrt bietet das Fortschrittliche (Progressistische, Avantgardistische etc.) zahlreiche bejahenswerte Innovationen, aber es ist auch viel Überzogenes dabei, das abzulehnen ist. Und da würde die KLANGREIHENMUSIK einen für alle akzeptierbaren Weg der Mitte und Ausgewogenheit beschreiten. Auch wenn die Welt sehr intolerant geworden ist, lebt die Hoffnung fort, daß auf lange Sicht gesehen das Gute für sich spricht. Leider ist heute alles so laut und medienverseucht, "daß man die Stillen nicht schweigen hört" (wie der befreundete Dichter Walter Sachs sinngemäß einmal sagte), und deshalb wird es noch geraume Zeit dauern, bis "stillere" Qualitäten ins allgemeine Bewußtsein einsickern. So wird es durchaus begreiflich, daß gar mancher von Klangreihenmusik noch nichts gehört hat und dann bei der Begegnung mit deren wohlklingender Zwölftonharmonik positiv überrascht ist. Der in Wr. Neustadt (Niederösterreich) geborene und in Wien beheimatet gewesene JOSEF MATTHIAS HAUER hatte bereits 1919 die Gesetze der Zwölftonharmonik entdeckt, und mein Lehrer OTHMAR STEINBAUER (ein Wiener, der viele Jahre in Wilhelmsburg/Altenburg auf Sommerfrische weilte und dort 1962 auch verstarb) war es, der ab 1930 jene Hauersche, auf Wohlklang beruhende Akkordwelt zu einer zwölftönigen Kompositionstechnik (der sogenannten "KLANGREIHENLEHRE") ausbaute. Nach ihr wurde es endlich möglich, schönklingende melodische und dennoch zwölftönige, also neuartige Musikwerke zu schaffen. Der renommierte Musikpublizist Walter Szmolyan sprach vor vielen Jahren von einer 3. WIENER ZWÖLFTONSCHULE (neben jener von Schönberg und Hauer) und nannte meinen Lehrer Steinbauer als deren Begründer. Gewiß, der darauf aufbauende Musikstil entspricht zumeist nicht dem "heutigen" Zeitgeist mit seinem Menschenbild, das Klabund so trefflich charakterisierte, sondern er ist vielmehr in einem konservativ beeinflußten sowie humanistisch oder gar religiös fundierten Weltbild verankert - ein Umstand, der heutzutage bei den Meinungsmachern als unmodern gilt. Als Beweis dafür möge man die viele Klangreihenmusik klingend auf sich wirken lassen und prüfen, inwieweit sie geeignet ist, eine WENDE DES ZEITGEISTES zugunsten des biblisch+platonischen Menschenbildes einzuleiten. Für einen ersten Eindruck würde sich etwa folgende, in Internet anklickbare Hörauswahl empfehlen: |
Das aufrüttelnde Gedicht "Gleichnis des Buddha vom brennenden Haus" von Bert Brecht, das zwar aus gesellschaftspolitischer Zielrichtung linker Natur entstanden ist, erweist sich - wenn man nur den Mittelteil herausnimmt - von erschreckender allgemeingültiger Aktualität. Jener besagte Abschnitt lautet: |
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Johann Sengstschmid |