Othmar Steinbauer:
Sonate für Violine und Klavier Nr. 1, Werk 15

 


Othmar Steinbauers Violinsonate Nr. 1 ist viersätzig und lehnt sich mit der Satzfolge langsam-schnell-langsam-schnell formal an die "Sonata da chiesa" (Kirchensonate) an. Sie entstand in seiner Heimatstadt Wien während des 2. Weltkrieges - zu einer Zeit also, wo zwölftönige Musik als "entartete Musik" verpönt war.

In der damaligen Zeit konnte ein Verstoß gegen "braune" Kunstauffassungen durchaus unangenehme Folgen zeitigen, wie etwa jenes Beispiel aus Linz/Donau beweist, wo der Direktor des Bruckner-Konservatoriums, Adolf Trittinger, 1943 die Aufführung einer Orgelsonate von Hindemith in seiner Lehranstalt gestattete; für diese Untat wurde er seines Postens enthoben und entging nur knapp einer Einlieferung in das KZ Mauthausen.

Trotz drohender Konsequenzen blieb sich Steinbauer, damals Direktor des Konservatoriums in Wiens Johannesgasse (eigentlich: der "Musikschule der Stadt Wien"), treu und benützte seine Zwölftonharmonik, in deren ohrenfreundlichen Klangreihen sich zahlreiche traditionelle Akkorde finden. Indem er sie mit der viersätzigen Form der barocken "Sonata da chiesa" verknüpfte, kam solcherart gar nicht der Verdacht auf, es könnten "entartete" Kunstelemente vorliegen.

Andererseits bekannte sich Steinbauer zu Stilmerkmalen der Renaissance und des Barock auch noch aus anderen Gründen, wobei er im Gespräch auf die Entwicklung des Automobils hinzuweisen pflegte: Jenes Aussehen, das die Autos in ihrem Anfangsstadium besaßen, wies zunächst noch eine auffallende Ähnlichkeit mit Pferdekutschen auf. Durch den Motor wirkten aber neue Kräfte, und sie brachten einen formalen Anpassungs- und Umformungsprozeß in Gang, den ein Pferdegespann niemals ausgelöst hätte.

Die klangreihengebundene Zwölftonharmonik ist einem solchen Motor vergleichbar, der - in eine traditionelle Form eingebaut - diese den zwölftönigen Kräften angleicht. Der Bezug zur "Sonata da chiesa" entspringt also keiner epigonalen Haltung, sondern ist von der Gewißheit getragen, daß eine natürliche Musikentwicklung nicht durch krampfhaftes Erfinden von neuen Formen stattfindet, sondern durch allmähliches und immer artgerechteres Anpassen an neue harmonische Kräfte.
 


Johann Sengstschmid


Siehe auch: Notenwiedergabe, Werkanalyse, Werkeinspielungen ()







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Klangreihenmusik (Gesamtüberblick)
Klangreihenmusik (weiterführende Links)
Klangreihenmusik: Musik mit neuer "Antriebskraft"
Elemente der Renaissance- und Barockmusik in der Klangreihenmusik
E. Würzl: Persönliche Erinnerung an Othmar Steinbauer
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