... Da
entrückte er mich in der Verzückung auf einen großen, hohen Berg
und zeigte mir die heilige Stadt Jerusalem ...
Die Stadt hat eine große Mauer mit zwölf Toren und zwölf Engeln darauf.
Auf die Tore sind Namen geschrieben:
die Namen der zwölf Stämme der Söhne Israels. ...
Die Mauer der Stadt hat zwölf Grundsteine;
auf ihnen stehen die zwölf Namen der zwölf Apostel des Lammes. ...
Er maß die Stadt mit dem Maßstab;
ihre Länge, Breite und Höhe sind gleich: zwölftausend Stadien.
Und er maß ihre Mauer,
sie ist hundertvierundvierzig Ellen hoch...
Die zwölf Tore sind zwölf Perlen;
jedes der Tore besteht aus einer einzigen Perle.
Zwischen der Straße der Stadt und dem Strom,
hüben und drüben, stehen Bäume des Lebens.
Zwölfmal tragen sie Früchte; jeden Monat einmal, ...

(aus der Offenbarung des Johannes, Kap. 21-22)





Panchromatische Überlegungen



So wie das Zifferblatt einer Uhr zwölf gleich lange Stunden durch zwölf gleiche Abschnitte anzeigt, so wird die Oktav im Sinne der gleichschwebenden Temperatur in zwölf Halbtonschritte unterteilt, wobei zwei Halbtonschritte das Intervall der großen Sekund, drei Halbtonschritte jenes der kleinen Terz etc. durchmessen. Würde man die Oktav etwa in 11 oder 13 gleich große Tonabstände untergliedern, dann erhielte man lauter verstimmte Intervalle und Klänge, und die siebenstufigen Tonleitern von den Kirchentonarten bis zum Dur-Moll samt deren Transpositionen, aber auch die Pentatonik wären nicht möglich. Die Zwölfteilung der Oktav erfolgte also nicht willkürlich, sondern vielmehr aus der Erfahrung heraus, daß in dieser chromatischen Anordnung des Tonmaterials das harmonische und melodische Geschehen am ohrenfreundlichsten rückverbunden erscheint.

Zu Klärung des Begriffes "panchromatisch" sei von dieser dargelegten Gegebenheit ausgegangen, daß es innerhalb der Oktav bei wohltemperierten Stimmungsgegebenheiten somit nur zwölf Töne gibt. Diese sind nicht a priori als "tonartbezogen-chromatisch" zu werten, sondern vielmehr als "nicht-tonartbezogen-chromatisch", "neutral-chromatisch", eben als "panchromatisch". Dazu heißt es in der Schrift "Grundlagen der Klangreihenlehre" von Johann Sengstschmid (als Manuskript vervielfältigt, Selbstverlag, St. Pölten 1968) auf Seite 24:
 

An Hand eines Klaviers ließe sich der Unterschied zwischen beiden aufzeigen:

Das Nebeneinander der Hämmerchen wäre vom optischen Eindruck her als "panchromatisch", die Bauweise der Klaviertasten als "tonartbezogen-chromatisch" anzusprechen. Im letzteren Fall ist ja das Nebeneinander der Tasten Ausdruck einer bestimmten Ordnung, da ausgerechnet den Tönen "c", "d", "e", "f", "g", "a" und "h" weiße Tasten entsprechen, während die restlichen fünf Töne durch schwarze Tasten zum Erklingen gebracht werden; durch diese Anordnung wird eben eine Siebentönigkeit sichtbar, auf welche die noch verbleibenden fünf Töne zu beziehen sind. Aus dem "panchromatischen" Nebeneinander der Hämmerchen vermögen viele Ordnungen in gleicher Weise herausgelesen zu werden...

So wird es begreiflich, daß man die Klaviatur, die Tonbezeichnungen, die Notenschrift u.a. zu reformieren versucht, wobei es der Geschichte überlassen bleibt, ob und welche Überlegungen sich durchzusetzen vermögen.



Zur Reform der Klaviatur


Es gibt verschiedene Versuche, die Klaviatur zu verändern. In der Enzyklopädie "Die Musik in Geschichte und Gegenwart" (MGG) des Bärenreiterverlages Kassel findet man unter dem Stichwort "Klavier" im Unterkapitel "5. Die Klaviatur und ihre Reformbestrebungen" einige Resultate, von denen zwei herausgegriffen seien:

Die Janko-Klaviatur (siehe MGG, Stichwort "Janko, Paul von") ist sechsterrassig und verwendet den Tastenabstand der Ganztonleiter. Obwohl die Tastenanordnung selbst "panchromatisch" ist, bringt sie durch die Tasteneinfärbung analog zu den sieben weißen und fünf schwarzen Tasten der herkömmlichen Klaviatur die "tonartbezogen-chromatische" Sicht ins Spiel.


Die Vicent-Klaviatur dagegen gibt in Tastenanordnung und -einfärbung den Bezug zum "Siebenton-Skala-Prinzip" gänzlich auf und ist echt "panchromatisch". Zur Orientierung dient die Einfärbung einer Taste (ähnlich der Saiteneinfärbung bei einer Harfe).

Neben dem MGG behandeln viele andere Autoren die Problematik der Klaviatur; in neuerer Zeit wäre unter anderem Herbert Henck mit seinen Aufsätzen "Klaviaturen, Teil I" und "Klaviaturen, Teil II" zu nennen.



Zur Reform der Tonbezeichnungen


Da in der wohltemperierten Zwölftönigkeit, also nach Aufgabe tonaler Bezüge, etwa "fis"="ges" ist, gibt es konsequenterweise auch Bestrebungen, doppelte sowie dreifache Tonbezeichnungen ("fisis"="g"="asas" etc.) zu vereinfachen beziehungsweise neue einzuführen.


Die radikalste panchromatische Form wäre etwa eine alphabetische oder numerische Durchbezeichnung von "a" bis "l" beziehungsweise von "1" bis "12".

Daneben stehen "tonartbezogen-chromatisch" beeinflußte Versuche, die existierenden einfachen Tonnamen ("c", "d", "e" etc., also ohne "his", "fes" u.a.) unverändert oder geringfügig abweichend zu belassen und die alphabetische Bezeichnung etwa im Quintenzirkel über "h" fortzusetzen (für die schwarzen Tasten wären denkbar: "i" statt "fis"="ges", "j" statt "cis"="des", "k" statt "gis"="as", "l" oder "s" statt "dis"="es" sowie "b" statt "ais"="b"). Auch "k" statt "cis"="des", "l" statt "dis"="es", "m" statt "fis"="ges", "n" statt "gis"="as" sowie "o" statt "ais"="b" findet sich unter den Reformvorschlägen.

Für einen "tonartbezogen-chromatischen" Mittelweg spricht sich Wilhelm Keller in seinem "Handbuch der Tonsatzlehre I" (Gustav Bosse Verlag, Regensburg 1957) aus, indem er für die Töne der schwarzen Tasten die Kombinationsnamen "cisdes", "dises", "fisges", "gisas" und "aisbe" vorschlägt.



Zur Reform der Notenschrift


Dazu schreibt Johann Sengstschmid in seinem Lehrwerk "Kreatives Spielen mit Tönen" (Gustav Bosse Verlag, Regensburg 1976), und zwar im 1. Anhang, welcher der Problematik der Notenschrift gesondert gewidmet ist:

 

Eine nicht unbeträchtliche Schwierigkeit besteht im Aufschreiben von zwölftönigen Gegebenheiten, denn die traditionelle Notenschrift ist einerseits nach den 7 tonleiterartig angeordneten Tönen ausgerichtet, wobei zwischen den verschieden großen Tonschritten (Halbtonschritt bzw. Ganztonschritt) optisch kein Unterschied gemacht wird, andererseits springt bei ihr der terzenweise Aufbau der gebräuchlichen Klänge (Dreiklänge, Septakkorde, Nonenakkorde etc.) ins Auge und erleichtert das Akkordlesen: Terzen sind auf zwei übereinanderstehenden Notenlinien bzw. in zwei benachbarten Zwischenräumen notiert, einerlei, ob sie groß oder klein sind (siehe: Zwölfton-Notenschriften, Seite 2). Die traditionelle Notenschrift erweist sich somit für die Siebentonmusik mit ihrer Dreiklangsharmonik am geeignetsten, da sie deren Ordnungssystem verdeutlicht; bei der zwölftönigen Musik jedoch versagt sie, da sie nicht chromatisch konzipiert ist.

Ein Mittelding zwischen chromatischer Notenkopfanordnung und siebentönigem Klaviaturbild stellt die Notenschrift Josef Matthias Hauers dar, wo die Notenlinien nach dem Prinzip der schwarzen Klaviertasten gebündelt erscheinen (siehe: Zwölfton-Notenschriften). Hauer entwarf seine Werke in jener Notenschrift und übertrug sie dann für den praktischen Spielgebrauch in die mit Versetzungszeichen überladene traditionelle Notierung.

Ein chromatisches Fünfliniensystem schlug bereits Hugo Riemann im Jahre 1882 vor. Ohne dieses jedoch zu kennen, erfand Othmar Steinbauer zum zweiten Mal die gleiche Notenschrift.

Es schließen sich nun in diesem Lehrwerk zwei graphische bzw. ausnotierte Gegenüberstellungen an, und zwar zuerst eine von herkömmlicher Klaviatur, traditioneller Siebenton-Notenschrift und von traditionellen Tonbezeichnungen, von Kellerschen Tonbezeichnungen, der tonartbezogen-chromatischen Hauerschen Zwölfton-Notenschrift sowie der panchromatischen Riemann-Steinbauerschen Zwölfton-Notenschrift, gefolgt von einer zwölftönigen Klangreihe, welche für Vergleichszwecke untereinanderstehend in herkömmlicher, in Hauerscher sowie in Riemann-Steinbauerscher Notenschrift aufgeschrieben erscheint.

Nachzutragen wäre, daß alle drei Begründer der 3 Wiener Zwölftonschulen eine eigenständige Lösung entwickelt haben, denn auch Arnold Schönberg stellt in seinem Aufsatz "Eine neue Zwölfton-Schrift" (enthalten in: Arnold Schönberg, "Stil und Gedanke. Aufsätze zur Musik", Gesammelte Schriften 1, S. Fischer Verlag 1976) eine panchromatische Notenschrift-Version vor.

Im übrigen sei die Bemerkung gestattet, daß das unbekümmerte Übertragen eines Musikstückes von einer Notenschrift in eine andere problematisch ist. Wer gregorianischen Choral aus Choralbüchern in der "relativ-notierten" Choralnotenschrift gesungen hat, wird wohl bestätigen können, wie viel an spontaner Überblickbarkeit des Melodieverlaufs bei der Umnotierung in die "absolut-notierte" Siebenton-Notenschrift verloren geht - von Transpositionsproblemen ganz zu schweigen. Ebenso wäre das Übertragen etwa eines Schubert-Liedes in eine der Zwölftonschriften unpassend, da beispielsweise die übersichtliche Erfassung tonaler Strukturen (etwa der Dreiklangsharmonik oder des diatonischen Melodieverlaufes) nicht mehr auf den ersten Blick erkannt würde.




Weiterführende Informationen in Wort und Ton siehe:

Links
Linkregister (öfters gesuchte Links)

Klangreihenprinzip (Panchromatisches Prinzip)
Zwölfton-Notenschriften
Nachweis des Panchromatischen Prinzips bei Klangverbindungen
Zum Themenkreis "reine Stimmung - temperierte Stimmung"

siehe auch: Verzeichnis der Skriptumblätter

siehe auch: Klangreihenmusik (Gesamtüberblick)

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