"Plus lucis", Rhapsodie für Viola und Klavier, op. 53

 

Einführende Worte:

Der Komposition stellte Sengstschmid nachstehende Zeilen voran:

Vorbemerkung

Den letzten Worten bedeutender Persönlichkeiten, gesprochen an der Schwelle des Todes, mißt man gern eine besondere Aussagekraft zu, und wenn sie dem Wunschbild der Verehrer nicht voll entsprechen, retuschiert man sie unbekümmert ein wenig nach. "Macht doch den zweiten Fensterladen auch auf, damit mehr Licht hereinkomme", sollen Goethes letzte Worte gewesen sein, doch was tut's, wenn man sie verkürzte, idealisierte und sogar in eine tote Sprache übertrug, um sie gewichtiger, prophetischer, allgemeingültiger erscheinen zu lassen: "MEHR LICHT - PLUS LUCIS". Indem man Worte so zurechtrückt, bekundet man sein eigenes Wunschdenken, und so kann "PLUS LUCIS" auch zu einem richtunggebenden Symbol für ein bestimmtes künstlerisches Sehnen werden, das sich nicht im seismographischen Gestalten der jeweiligen Gegenwart erschöpft, sondern das sowohl im Überwinden der beängstigenden, gräßlichen Realität als auch in visionärer Schau mehr Licht in Gegenwart und Zukunft zu bringen trachtet. Hinter der Schwelle des Todes soll mehr Licht, mehr Harmonie sein; den Künstlern ist es gegeben, ein solches Stück Himmel in die Realität unseres Erdendaseins hereinzuholen. Zwölf, die apokalyptische Zahl des himmlischen Jerusalems mit seinen Mauern, deren Maß 144 Ellen beträgt, symbolisiert das Vollkommene, Universale, Ewiggültige, und aus ihr lebt auch das Total einer Zwölftonreihe. Zwölftonmusik - ein Stück Himmel? Vielleicht doch, aber solches muß erspürt, erkämpft und auch erbetet werden! So wie die altgriechischen Rhapsoden bei feierlichen Anlässen ihre epischen Gedichte vorgetragen haben, so will "PLUS LUCIS" mit den zwölftönigen Mitteln der Klangreihenmusik dem Streben nach Licht Ausdruck verleihen: Die Zwölftonreihe es-ges-a-as-d-f-h-e-b-des-c-g wird zwölfmal gebracht, jedesmal auf einen anderen Ton transponiert, und zwar in der Reihenfolge ihrer Töne (die 1. Reihe beginnt mit "es", die 2. mit "ges", die 3. mit "a" usw.). Auf jeden Ton der zwölf Zwölftonreihen wird der pentatonische Klang errichtet (1. Akkord: es-f-g-b-c, 2. Akkord: ges-as-b-des-es usw.) und so das Ausgangsmaterial für den eigentlichen Kompositionsakt geschaffen, in dem Altes und Neues organisch zusammenfließen. Wie die ersten 6 Takte auf den Tönen des ersten pentatonischen Klanges beruhen, so erscheint in den 12 mal 12 (= 144) Klangreihenakkorden die gesamte kompositorische Gestaltung rückverbunden. Das zwölftönige Material bestimmt die Struktur der Komposition, doch erst dem schöpferischen Akt ist es vorbehalten, diese vorgeformte Harmoniefolge mit musikalischem Leben zu erfüllen.





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